Porzellanikon - Jubiläumsausstellung, 2. Juli bis 13. November 2016:

Rosenthal – Ein Mythos. Zwei Männer schreiben Geschichte

magazin, 29.02.2016

Porzellanikon Hohenberg an der Eger/Selb

Rosenthal – Ein Mythos. Zwei Männer schreiben Geschichte vBislang größte Ausstellung rund um die zwei bedeutenden Unternehmer
Neuinszenierung der Rosenthal-Abteilung im Porzellanikon Selb

Das Porzellanikon – Staatliches Museum für Porzellan widmet sich 2016 in einer Jubiläumsausstellung zwei bedeutenden Unternehmer-persönlichkeiten der deutschen Geschichte: Philip Rosenthal jun., der in diesem Jahr 100 geworden wäre, und seinem Vater Philipp sen., der vor 125 Jahren mit einer eigenen Porzellanproduktion begann. Durch ihre Arbeit, ihr Geschick und ihre Intuition prägten sie maßgeblich den Erfolg der Firma Rosenthal im bayerischen Selb, einer der international führenden Anbieter zeitgemäßer Tisch- und Wohnkultur. Zwei Männer, die unterschiedlicher nicht hätten sein können: der Vater, eine klassische Unternehmerpersönlichkeit, der 1891 den Grundstein für die Erfolgsgeschichte legte, und der Sohn, der als Visionär und moderner Marketingmann das Profil des Unternehmens revolutionierte.

 

Die bislang größte Ausstellung zu Rosenthal dokumentiert die Geschichte der beiden Männer mit alltäglichen und herausragenden Porzellanen sowie noch nie gezeigtem Archivmaterial, darunter 

Skizzenbüchern und Fotos, an insgesamt drei Schauplätzen in Europas größtem Porzellanmuseum.

 

Die Schau in Hohenberg an der Eger präsentiert insbesondere die faszinierenden Kunstporzellane unter der Ägide von Philipp Rosenthal sen. Als erster bayerischer Privatunternehmer etablierte er eine Kunstabteilung in seinem Betrieb und fertigte u. a. limitierte Serien an. Eine strategische Entscheidung, mit der er sich von anderen Porzellanherstellern absetzen konnte und Erfolg hatte, wie eine ausgestellte Vase zeigt, die 1900 auf der Weltausstellung in Paris prämiert wurde.

 

In Selb widmet sich die Ausstellung der Imageveränderung der Marke durch Philip Rosenthal jun. und seiner Vision vom Dreiklang auf dem gedeckten Tisch – Besteck und Gläser wurden der Form entsprechend zum Geschirr gestaltet – bis hin zur Manufaktur des Wohnens mit Möbeln und Kunstobjekten. Zu sehen sind hier u.a. von international renommierten Designern gestaltete Erfolgsformen, darunter der „Verkaufsschlager“ Form 2000 des Designbüros Raymond Loewy / Richard Latham.

 

Als besonderer Höhepunkt wird anlässlich der Jubiläumsausstellung die Rosenthal-Abteilung im Brennhaus der alten Rosenthal-Fabrik mit ihrem imposanten Rundofen neu inszeniert. Bekannte Dekore aus der Firmengeschichte zieren die 45 Fenster der Halle und geben ihr den Charakter einer Industriekathedrale. Im Inneren beleuchten auf ca. 600 Quadratmeter vier Themeninseln in Gegenüberstellung von Vater und Sohn, Philipp und Philip, die Geschichte des Unternehmens, die Produktinnovationen auf dem Hintergrund der Entwicklung der Tischkultur der jeweiligen Zeiten. Auch werden die Bestrebungen beider Männer Kunst zu schaffen eindrucksvoll vor Augen geführt, etwa mit unter der Ägide von Philip jun. entstandenen Kunstwerken aus Porzellan von namhaften Künstlern, wie Henry Moore, Salvador Dali oder Günther Uecker.

 

Zwei Männer – zwei Biographien

 

Philipp Rosenthal sen.: Vom Tellerwäscher zum Großunternehmer

Die Geschichte des Firmengründers Philipp Rosenthal sen. (1855 Werl/Westfalen – 1937 Bonn) liest sich wie das Drehbuch eines Hollywoodfilms. Nach seiner Auswanderung nach Amerika in jungen Jahren arbeitete er als Laufbursche und Tellerwäscher in New York und gelangte schließlich über seine Tätigkeit für einen Porzellan-Importeur nach Selb, wo er 1879 seine eigene Firma (Porzellanmalerei) gründete. 1891 errichtete er seine erste eigene Porzellanfabrik in Selb. In kürzester Zeit baute er das seit 1902 in eine Aktiengesellschaft umgewandelte Unternehmen durch Qualität, feines Gespür für die Zeitströme und den Geschmack des Publikums zu einem der führenden Porzellanproduzenten auf. Als erster Privatunternehmer im Bereich der Porzellanindustrie setzte Rosenthal sen. seinen Namenszug unter jedes Produkt. Die 1916 auf den Markt gekommene Porzellanform „Maria“, benannt nach seiner 35 Jahre jüngeren Frau, der Mutter von Philip jun., war die erste Geschirrform in weißer Ausführung: einer der umfangreichsten und meistverkauften aller Zeiten. In der Schau wird auch die private Seite des Firmengründers vor Augen geführt. Der Kosmopolit und Grandseigneur, der zu den ersten Autofahrern Europas zählte und sich bedingt durch seine zahlreichen Ämter, mit einflussreichen Persönlichkeiten etwa Reichspräsident Friedrich Ebert oder Paul von Hindenburg traf, schied 1934 aufgrund seiner jüdischen Herkunft aus dem Unternehmen aus. Der Firmenname Rosenthal wurde dank seines Weltrufs weitergeführt.

 

Philip Rosenthal jun.: Vom Legionär zum Design-Pionier

Philip Rosenthal jun. (1916 Berlin – 2001 Selb) trat 1950 in das väterliche Unternehmen ein, nachdem er zuvor in England als Journalist und im Foreign Office gearbeitet sowie in der französischen Fremdenlegion in Algier gedient hatte. Mit seinem Gespür für Produkte, Markt und Öffentlichkeit krempelte er das bestehende Image um und machte die damalige Rosenthal AG zu einem Vorreiter des modernen Produktdesigns. Wie kaum ein anderer Industrieunternehmer dieser Zeit arbeitete Philip Rosenthal jun. dabei mit namhaften Künstlern und Designern wie Richard Latham, Tapio Wirkkala, Bjørn Wiinblad, Emilio Pucci, Henry Moore, Lucio Fontana oder Salvador Dali zusammen. Auch die Firmengebäude sind von dem hohen Anspruch Rosenthals geprägt und wurden von bedeutenden Gestaltern wie Walter Gropius, Friedensreich Hundertwasser, Otto Piene und Marcello Morandini geplant.

 

Zu Philip Rosenthals Maximen zählte auch das Streben nach sozialer Gerechtigkeit. So führte er als einer der ersten deutschen Unternehmer 1963 ein Beteiligungssystem für seine Arbeitnehmer ein. Als Sozialdemokrat und Bundestagsabgeordneter hatte er enge Beziehungen zu wichtigen Politikern seiner Zeit, etwa Willy Brandt oder Helmut Schmidt. Zudem suchte er stets neue Herausforderungen im Sport als Extrembergsteiger, Schwimmer, Ruderer oder Wanderer. Zahlreiche Aufnahmen aus dem Archiv dokumentieren dies in der Ausstellung. 

 

Bilder:

Mokkatasse aus dem ersten Brand von 1891

Rosenthal Werksentwurf, 1891
Porzellanikon, RAS Inv. Nr. 1/81
Dauerleihgabe Oberfrankenstiftung Bayreuth
©Porzellanikon, Rosenthal-Archiv Selb, Dauerleihgabe Oberfrankenstiftung

Foto:  jahreiss. kommunikation foto  film, Hohenberg a. d. Eger

Nachdem Philipp Rosenthal sen. offensichtlich Probleme hatte, bei den Konkurrenten Weißware zu beschaffen, beschloss er sein eigenes Porzellan zu fertigen. Er ließ 1889/1890 eine Porzellanfabrik in Selb errichten, deren Produktion 1891 begann. Diese Mokkatasse stammt aus dem ersten Brand vom 1. März 1891.

 

Figur „Zeitungsleser“
Entwurf: Karl Röhrig, 1926
Höhe 35,5 cm
Rosenthal Kunstabteilung, Selb
Porzellanikon, RAS Inv. Nr. 345/94

Dauerleihgabe Oberfrankenstiftung Bayreuth

©Porzellanikon, Staatliches Museum für Porzellan Hohenberg a. d. Eger /Selb

Foto:  jahreiss. kommunikation foto  film, Hohenberg a. d. Eger

Die Figur von Karl Röhrig (1886 – 1972) ist ein bemerkenswertes Beispiel für das weiß belassene „Kunstprogramm“, das die Firma Rosenthal bereits auf der Herbstmesse 1925 in Leipzig präsentiert. Im Jahr 1926 wird der „Zeitungsleser“, vermutlich ein Selbstporträt des Künstlers, in München im Glaspalast auf der Allgemeinen Kunstausstellung München, Kunstgewerbliche Abteilung ausgestellt und findet nach zeitgenössischen Äußerungen viel Beifall.

 

Figur „Winter“
Entwurf:  Claire Weiss, 1932
Höhe 24 cm
Kunstabteilung Werk Selb

Porzellanikon, RAS Inv. Nr. 879/79

Dauerleihgabe Oberfrankenstiftung Bayreuth

©Porzellanikon, Rosenthal-Archiv Selb, Dauerleihgabe Oberfrankenstiftung

Foto:  jahreiss. kommunikation foto  film, Hohenberg a. d. Eger

Die wichtige Rolle, die die zeitgenössische Mode in den 1920er Jahren spielt, greift die ungarische Bildhauerin Claire Weiss (1906 – 1997 ) in dieser Jahreszeiten-Figur gekonnt auf. Sie kleidet das Mannequin, passend zur Jahreszeit,  in Pariser Chic.

 

„Suomi-Objekt 3“ (Kaffeekanne)
Formentwurf: Timo Sarpaneva, 1976
Dekorentwurf: Salvador Dali,1976
Unikat

Rosenthal Limitierte Kunstreihen

Porzellanikon, RAS Inv. Nr. 251.2/87

Dauerleihgabe Oberfrankenstiftung Bayreuth

©Salvador Dali, Fundacio Gala-Salvador Dali / VG Bild-Kunst, Bonn 2016

Foto:  jahreiss. kommunikation foto  film, Hohenberg a. d. Eger

Im Jahr 1977 beginnt die Zusammenarbeit von Rosenthal  mit Salvador Dali (1904 – 1989). Es entstehen ein Jahresteller, Reliefplatten und Dekore für die Suomi-Objekte. Auf Wunsch von Dali wird für seine Frau Gala ein Kaffee- und Speiseservice angefertigt. Diese Kanne gelangte nicht in den Verkauf. Die Serviceform Suomi ist der Grundstein für die Idee „Kunst auf den Tisch“. Sie ist in den meisten Teilen Design und Gebrauchsform, bezieht in einigen limitierten Zentrumsstücken (Teekanne, Kaffeekanne, Schale und Schale mit Deckel) aber die Kunst aktiv in den Alltag mit ein.

 

Vase
Formentwurf: Elsa Fischer-Treyden, 1953
Dekorentwurf: Emilio Pucci, 1973
Höhe 32 cm

Rosenthal AG, Selb

Porzellanikon, RAS Inv. Nr. 22/15

Dauerleihgabe Oberfrankenstiftung Bayreuth

©Porzellanikon, Rosenthal-Archiv Selb, Dauerleihgabe Oberfrankenstiftung

Foto:  jahreiss. kommunikation foto  film, Hohenberg a. d. Eger

Die in Siebdruck ausgeführten Volldekore wurden vom italienischen Designer Emilio Pucci (1914-1992), der sich seit 1949 mit Mode beschäftigt, entworfen. Er schaffte farbenfrohe Modelle, die von Stars wie Sophia Loren, Grace Kelly und Marilyn Monroe getragen wurden. Als freier Mitarbeiter kreierte er von 1961 bis 1977 Dekor-Entwürfe für Zierartikel und Service der Rosenthal-Studio-Linie.